Geburtenrückgang: Gesellschaftliche und politische Ursachen in den Fokus rücken

Lena Saniye Güngör

Die aktuellen Aussagen von Holger Poppenhäger, Präsident des Thüringer Landesamtes für Statistik, zum Rückgang der Geburtenzahlen im Freistaat werfen ein Schlaglicht auf eine besorgniserregende demografische Entwicklung. Dabei muss jedoch bedacht werden: Es handelt sich hierbei nicht um ein exklusives Thüringer Phänomen. Vielmehr spiegelt sich diese Entwicklung in nahezu allen Regionen Deutschlands wider – mit ähnlichen Ursachen und Konsequenzen. Die gesundheits- und gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, Lena Saniye Güngör, weist darauf hin, dass es insbesondere die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind, die den Rückgang der Geburtenzahlen vorantreiben.

 

Mit Blick auf die Äußerungen Poppenhägers, der von „Geburtenarmut“ und einem „Trend zur Ein-Kind-Familie“ sprach, mahnt Güngör zur Vorsicht: „Begriffe wie ‚Geburtenarmut‘ suggerieren, Frauen seien in erster Linie dafür verantwortlich, demografische Lücken zu füllen. Diese Denkweise ist nicht nur problematisch, sondern wird der Vielschichtigkeit der Ursachen für den Geburtenrückgang nicht gerecht.“

 

Die Forderung Poppenhägers, Frauen mit zwei oder mehr Kindern stärker zu fördern, greife zu kurz: „Der Rückgang der Geburtenzahlen lässt sich nicht durch Appelle an Familien oder durch punktuelle finanzielle Anreize umkehren. Vielmehr müssen wir als Gesellschaft die Rahmenbedingungen schaffen, die es allen ermöglichen, frei über ihre Familienplanung zu entscheiden“, so Güngör weiter.

 

„Die Entscheidung, Kinder zu bekommen, ist und bleibt eine persönliche, die wir respektieren müssen. Gleichzeitig zeigt der bundesweite Trend, dass strukturelle Unsicherheiten und mangelnde Unterstützung Familien oft davon abhalten, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen“, so Güngör.

 

Die Fachpolitikerin ergänzt, dass es gerade in Thüringen notwendig sei, nicht nur auf kurzfristige Maßnahmen zu setzen, sondern langfristige Strategien zu entwickeln, die Lebensperspektiven schaffen: „Wir brauchen Investitionen in soziale Infrastruktur, in flächendeckende sowie beitragsfreie Kinderbetreuung und in bezahlbaren Wohnraum, damit sich junge Menschen für ein Leben und das Arbeiten in Thüringen entscheiden. Ebenso wichtig ist es, Frauen wirtschaftlich abzusichern und ihnen reale Wahlfreiheit zu ermöglichen.“

 

Güngör sieht insbesondere die Bundespolitik in der Verantwortung. Die Wahrnehmung von Kindern als Armutsrisiko sei kein individuelles Versagen, sondern ein Symptom langjähriger Versäumnisse: „Unsichere Arbeitsverhältnisse, ein Mangel an Betreuungseinrichtungen und hohe Lebenshaltungskosten – all das sind Faktoren, die den Wunsch nach einer Familie für viele Menschen unerschwinglich machen.“ Die Linke fordert daher die Einführung einer bedingungslosen Kindergrundsicherung, um allen Kindern und Familien eine sichere Grundlage zu bieten.

 

Abschließend betont Güngör: „Kinder sind kein politisches Mittel, um demografische Statistiken zu korrigieren. Sie sind ein Ausdruck von Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft. Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass dieses Vertrauen gestärkt wird.“