Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen

Katja Mitteldorf
RedenKatja Mitteldorf

Zum Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der BfTh - Drucksache 7/6263

 

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer und besonders liebe Grüße an Frau Müller, die ich hier heute vertrete.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist ja schon viel gesagt worden. Aber auch um das noch mal zusammenzuführen, was wir hier heute diskutieren, da muss ich schon sagen, ich finde, das ist ein relativ einmaliger Vorgang, dass ein Volksbegehren in der formalen Zulassung sich befunden hat, demzufolge läuft, also das Instrument direkter Demokratie gerade ins Laufen kommt und dann ein wortgleicher Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wird mit einer – im Übrigen, wie ich finde, auch nach den Jahren, die man hier in diesem Landtag verbracht hat – sehr interessanten Äußerung, nämlich – darauf ist schon hingewiesen worden – zu sagen: Na ja, so eine Verfassungsänderung ist ja so ein schöner schlanker Prozess.

 

Ich persönlich frage mich, wie man auf der einen Seite sagen kann, wir sind für mehr direkte Demokratie, und dann startet ein Volksbegehren – jetzt mal unabhängig davon, wie man dazu steht – und dann kommt das Parlament – und noch dazu ist es ja nicht das Parlament, sondern es ist ein und dieselbe Person, das dürfen wir ja auch nicht vergessen, Frau Dr. Bergner als Vertrauensperson für das Volksbegehren und Frau Dr. Bergner, die für die Bürger für Thüringen in einer Parlamentarischen Gruppe hier im Landtag sitzt und gleichzeitig quasi ihrem eigenen Volksbegehren in gewisser Weise die Füße stellen will. Da frage ich mich, wo wir da irgendwie nicht zueinanderkommen bei der Frage, was direkte Demokratie und vor allem Wertschätzung von direkter Demokratie ist, weil das eine ist, dass man darüber redet, und das andere ist, dass man das macht, was Sie hier heute gemacht haben.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

 

Ich finde es auch schwierig, dass ich hier in diesem Rund zwei Reden jetzt gehört habe, wo ich irgendwie das Gefühl bekommen habe, als wären wir ein Sportverein, wo wir hier mal eben darüber reden, ob wir vielleicht so ein bisschen die Satzung ändern, dass wir irgendwie nur drei Leute im Vorstand haben, nicht mehr fünf, und diesen ganzen Kram. Das ist total wichtig für einen Sportverein, aber darf ich mal daran erinnern, dass dieser Thüringer Landtag ein Verfassungsorgan ist

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

 

und hier gerade Reden gehalten werden, als würden wir hier einfach mal eben, weil uns Dinge nicht passen und weil wir im Zweifelsfalle unterschiedlicher Auffassung sind, irgendwelche Dinge tun und die in einen Verfassungsausschuss schmeißen. Wir wissen alle, dass die Debatte um die Thüringer Verfassung nichts ist – zumindest hoffe ich, dass wir das alle wissen –, was man – und verzeihen Sie mir mal den Ausdruck – ebenso auf der halben Arschbacke absitzt. Weil die Thüringer Verfassung ist auch nicht irgendeine Vereinssatzung, die wir mal eben nach Belieben ändern können und wo mal eben einer zum Notar rennt und dafür unterschreibt.

 

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde die Behandlung dieses Umstands dolle schwierig und ich finde es auch schwierig und wirklich auch nicht nachvollziehbar, wenn Sie, Frau Dr. Bergner – ich weiß ja eben immer nicht, als was jetzt, als Parlamentarierin im Raum oder als Vertrauensperson, und wie Sie das mit sich abmachen können, aber das ist ja nicht mein Bier, sondern natürlich Ihrs – als Begründung – und das ist ja eben das, wo ich ja sage, sorry, aber das ist für mich keine Begründung – immer wieder darauf abstellen, dass wir das jetzt machen müssen, weil das ja mal versprochen wurde. Jetzt sage ich mal, wissen wir natürlich alle, wir waren alle Teil davon, im Übrigen auch Sie, Frau Dr. Bergner, Sie waren ja nicht –- ich sage jetzt mal – am 5. Februar nicht vorhanden, sondern auch Sie und die Kolleginnen Ihrer neuen Gruppe

 

(Beifall Gruppe der BfTh)

 

waren ja auch maßgeblich mit daran beteiligt, dass wir als Parlament in eine Situation gekommen sind, aus der wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch eine Verantwortung übernommen haben.

 

Und da bin ich ganz beim Kollegen Zippel, der ja am Anfang sehr deutlich gemacht hat, es gibt keine Parlamentskrise. Die gibt es nicht. Natürlich regt mich das ehrlich gesagt auch auf, dass das alles anstrengender ist als vorher. Aber auf der anderen Seite – und das ist ja auch an vielen Stellen gesagt worden –, Demokratie ist eben kein Sofa, und das betrifft auch uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Und natürlich betrifft es auch die Menschen, die uns alle fünf Jahre den Auftrag geben, sie in diesem Rund zu vertreten, und es also auch nach den fünf Jahren wieder tun können. Ich glaube, Frau Marx hat es gesagt: Natürlich ist die Zeit dazwischen auch für die Wählerinnen und Wähler und die Menschen, die sich entscheiden, zur Wahl zu gehen – da können wir ja übrigens immer noch dafür werben, dass es mehr Menschen werden –, genau der Lackmustest, um zu gucken, vertreten diese Menschen, denen ich meine Stimme gegeben habe, meine Interessen, ja oder nein. Und diese Frage wird beantwortet bei einer Landtagswahl. Das ist im Übrigen auch gut so.

 

Sie wissen selbst, dass es ja Gründe gibt, warum eine Auflösung des Parlaments – noch dazu eine Selbstauflösung des Parlaments – sehr hohe Hürden hat. Für alle, die es vielleicht auch nicht mehr so genau wissen: Da wäre jetzt so ein Google-Stichwort „Weimarer Republik“ zum Beispiel, man kann sich solche Dinge auch gern noch mal in Erinnerung rufen. Das ist eben nicht irgendwie – wie ich es schon gesagt habe –, wir entscheiden uns, dass wir unseren Sportverein anders nennen, sondern dass wir eine andere Aufgabe haben als Verfassungsorgan.

 

Jetzt will ich es aber trotzdem mal ganz kurz durchspielen, nur in der Theorie, um Ihnen zu sagen, warum auch meine Fraktion der Überweisung an den Ausschuss nicht zustimmt, weil es eben ein laufendes Volksbegehren gibt. Nur mal in der Theorie, nur mal ganz kurz überlegt: Das Volksbegehren fängt an zu laufen, wir überweisen den Gesetzentwurf der Bürger für Thüringen an den Verfassungsausschuss. Sagen wir mal, es läuft alles gut, wir sagen, okay, wir hören das an, wie wir das ja logischerweise machen, und dann gibt es eine Diskussion im Ausschuss, dann gibt es Pro- und Kontradiskussion. Dann kommt man vielleicht dazu, dass man sagt: Na ja, also wir könnten uns das so und so vorstellen, aber wir müssen den Text verändern und da zu einer Mehrheitsentscheidung kommen. Jetzt nur mal angenommen, es gibt eine Veränderung des Textes, es gibt eine Zweidrittelmehrheit dafür, wir entscheiden das hier, währenddessen laufen sich Menschen – Bürgerinnen und Bürger, die ihr Recht auf direkte Demokratie wahrnehmen wollen – die Hacken wund – im Übrigen Sie ja eigentlich auch selbst, also noch mal zu der Frage, wie Sie das für sich auseinanderhalten können – und dann schaffen Sie im Zweifelsfall ein positives Quorum für das Volksbegehren. Das heißt, die Mehrheit ist erreicht, alles gut, es kommt zurück in den Landtag. Und wir haben etwas beschlossen oder etwas in der Pipeline, was verändert ist, und dann sind Sie in der Situation, wo Sie ja als Vertrauensperson gleichzeitig des Volksbegehrens sagen müssen: Wenn wir als Parlament entscheiden, weil wir müssen, wir könnten das nehmen, und sagen, wir setzen das so um, oder wir als Parlament sagen, wir setzen etwas dagegen, oder wir als Parlament sagen, wir machen damit nichts – das ist ja auch Teil sozusagen dessen, was auf uns wartet –, und Sie als Vertrauensperson würden dann die ganze Zeit zum einen auf der parlamentarischen Seite mitarbeiten, während sich Bürgerinnen und Bürger, die – aus welchen Gründen auch immer – das für sich als berechtigten Anspruch sehen, das so machen zu wollen, sich die Hacken wundlaufen, Unterschriften sammeln, was einen ewig langen Zeitraum natürlich auch einnimmt, denn es ist ja viel zu tun, um Unterschriften zu sammeln und auch Pro und Kontra zu diskutieren. Wir erinnern uns an Volksbegehren, die wir in Thüringen schon mal hatten, wie lange das natürlich auch gedauert hat und sie trotzdem erfolgreich waren, ich will es nur mal sagen. Und in der Zwischenzeit zeigen wir Ihnen als Parlament eigentlich sozusagen den Stinkefinger, weil wir alles schon vorwegnehmen, es im Zweifelsfall verändern und am Ende, selbst wenn es erfolgreich wäre, wir den Bürgerinnen und Bürgern doch sagen: Ja, jetzt habt ihr hier mal ein bisschen direkte Demokratie geübt, aber das ist uns egal, weil wir haben das jetzt hier im Parlament in irgendeiner Form schon geregelt. Und das finde ich nicht redlich. Und ganz ehrlich, da muss ich auch wirklich sagen – noch mal: Wie Sie das mit sich als Person klarkriegen, welche Rolle Sie wann spielen, das bleibt logischerweise Ihnen überlassen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn wir das schon machen und wenn es ein Volksbegehren gibt, was jetzt am Laufen ist, dann hat es dieses Volksbegehren zu allererst mal verdient, dass es auch ins Laufen und Arbeiten kommen kann, denn das ist nämlich direkte Demokratie. Und dann gibt es ein Ergebnis und dann werden wir sehen, was das Ergebnis ist, und dieses Ergebnis wird – würde ich vermuten – auch widerspiegeln, ob die Aussagen, die Sie gerade getroffen haben, welche sozusagen Vertrauensverluste in welcher Höhe in Thüringen zu der Politik im Freistaat herrschen, das würde es im Zweifelsfall dann auch zeigen. Und dann können wir uns hier gern wieder unterhalten. Aber eine Verschlankung des demokratischen Verfahrens, um damit die Direktdemokratie zu umgehen – dafür gibt es für uns keine Zustimmung. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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