Nichtgehaltene Vorträge in geheimdienstlichen Tagungsbänden

Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner - Drucksache 5/2284


Nichtgehaltene Vorträge in geheimdienstlichen Tagungsbänden


Am 4. November 2010 veranstaltete das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ein Symposium mit dem Titel "9. Symposium Linksextremistische Gewalt - Gefährdungen, Ursachen und Prävention" in Erfurt.
Einer der Vortragenden war Prof. Dr. Eckhard Jesse, Professor für Politische Systeme, Politische Institutionen an der TU Chemnitz, der sich als sogenannter "Extremismusexperte" versteht. Auf der Website des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz wird nun u. a. sein Vortrag vom 4. November 2010 zum Download angeboten (www.thueringen.de/imperia/md/content/verfassungsschutz/att00528.doc). Der dort wiedergegebene Vortrag Jesses beginnt mit einer Auseinandersetzung um die Ausführungen der Vorsitzenden der Partei DIE LINKE, Gesine Lötzsch, die erst einen Monat nach der Veranstaltung, am 3. Januar 2011, in der Zeitung "Junge Welt" publiziert wurden. Zudem wurden durch den Referenten offenbar Streichungen von Passagen vorgenommen und nicht kenntlich gemacht, in denen er einen Vergleich zwischen der Gefährdung der Demokratie durch die NPD und DIE LINKE und zu möglichen Regierungskoalitionen mit der Partei DIE LINKE anstellte. Das Landesamt kündigt an, die Vorträge in einem Tagungsband zu veröffentlichen. Ich frage die Landesregierung


1. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Tatsache, dass ein nicht gehaltener und offenbar um relevante Passagen gekürzter sowie um andere Passagen ergänzter Vortrag als angeblich auf dem Symposium gehaltener Originalvortrag im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit unter Verschweigen dieses Umstandes verbreitet wird und auch weiterhin verbreitet werden soll?


2. Teilt die Landesregierung die im mündlichen Vortrag geäußerte Auffassung Jesses, dass der "harte Extremismus" der NPD "keine Gefahr für den demokratischen Verfassungsstaat" darstelle, sowie dass der "weiche Extremismus", den angeblich die Partei DIE LINKE vertrete, für die Demokratie gefährlicher sei, und wie begründet sie ihre Auffassung?


3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur durch den Antisemitismusforscher Dr. Lars Rensmann (Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam) und den Historiker Prof. Dr. Wolfgang Wippermann (Freie Universität Berlin) vorgenommenen Zurechnung Jesses zur sogenannten "Neuen Rechten" und wie begründet sie ihre Auffassung?


4. Was war die Motivation, die auf dem Symposium von Jesse geäußerte Empfehlung aus dem im Internet publizierten Vortrag zu streichen, es dürfe mit der LINKEN "keine Koalition geben", solange heutige "Positionen erhalten bleiben", und welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Aussage Jesses?

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