30 Jahre Besetzung der Stasi-Zentrale in Erfurt – Anlass für eine Verstärkung der Aufarbeitung von SED-Diktatur und DDR-Unrecht

Katja Mitteldorf

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/74

 

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauerinnen am Livestream, die CDU-Fraktion hat eine Aktuelle Stunde beantragt zu einem Thema, was uns im Kern eint und wo wir in der letzten Legislatur bis zu einem gewissen Punkt – müssen wir leider sagen – als Rot-Rot-Grün auch eine sehr enge Zusammenarbeit mit der CDU-Fraktion gepflegt haben, die – und das haben wir in diesem Rund schon mehrfach thematisiert – dann von der CDU-Fraktion leider aufgekündigt wurde. Ich kann hoffen, dass der Beitrag heute – auch noch mal zu sagen, dass das Thema „Aufarbeitung der SED-Diktatur und des DDR-Unrechts“ weiterhin ein wichtiges Thema bleibt, weil es eben keine abzuschließende Check-Liste ist, sondern natürlich ein Prozess, wo es auch immer um Menschen geht –, da kann ich Ihnen jetzt schon sagen, lieber Herr Heym – herzlichen Glückwunsch übrigens zu dieser neuen Funktion, die haben Sie ja erst seit heute, wie ich gelesen habe –, dass natürlich das Thema „Aufarbeitung“ auch in den nächsten Jahren ein wichtiges bleibt.

 

Jetzt habe ich aber bei der Überschrift zu Ihrer Aktuellen Stunde doch ein bisschen stocken müssen, weil der erste Teil der Überschrift „30 Jahre Besetzung der Stasi-Zentrale in Erfurt“, da habe ich gedacht: Ja, das ist eigentlich ein guter Anlass, tatsächlich auch mal darüber zu reden, wie wichtig es war und es weiterhin ist, dass damals Menschen die Stasi-Zentrale besetzt haben – und übrigens nicht nur in Erfurt, aber das wird natürlich immer ganz besonders betont und auch daran erinnert –, um zu verhindern, dass die Aktenlage vernichtet wird. Wir haben ja in unseren Reihen Menschen, die damals die Stasi-Zentrale mit besetzt haben, und ich will es tatsächlich auch von dieser Stelle tun: Ich bin – auch ganz persönlich – Astrid Rothe-Beinlich und Dirk Adams sehr dankbar für die Arbeit, die sie seitdem auf diesem Gebiet geleistet haben. Weil nur dadurch, dass es in Thüringen und anderorts viele Menschen gab, die die Aktenlage gerettet haben, haben wir eine Grundlage dafür, uns tatsächlich die Schicksale, auch Einzelschicksale anzusehen und daran zu arbeiten, dass nach wie vor das geschehene Unrecht aufgearbeitet wird und entstandenes Leid gelindert wird.

 

Was mich dann allerdings irritiert hat, ist der zweite Teil des Titels Ihrer Aktuellen Stunde, nämlich zu sagen, das als Anlass für eine Verstärkung der Aufarbeitung zu nehmen. Weil – ganz ehrlich – ich persönlich halte nicht viel davon, immer nur wenn es Jahrestage oder besondere Ereignisse gibt, die sich jähren, zu sagen: Oh, jetzt müssen wir aber unbedingt noch mal was für die Aufarbeitung tun! Denn – ich sagte es bereits – Aufarbeitung und auch die Frage, wie Menschen in Verbindung und miteinander in Verbindung kommen, ist keine Frage von Jahrestagen, sondern ist eine dauernde Aufgabe in dieser Gesellschaft. Deswegen bin ich zumindest darüber gestolpert.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sie haben, Herr Heym, ein paar Sachen angesprochen. Es ist in so einer Aktuellen Stunde nicht immer einfach, in fünf Minuten alles anzureißen, was Ihre Fraktion eingebracht hat. Sie haben auch immer wieder – und das freut mich besonders – auf das Schicksal der Zwangsausgesiedelten hingewiesen. Dazu gäbe es jetzt ganz viel zu sagen, aber ich sage Ihnen auch, ich habe im Juni, glaube ich, dieses Jahres, hier im Plenum noch mal in Richtung CDU-Fraktion gesagt, bitte, bitte, nutzen Sie Ihre Kontakte in Berlin, damit wir diese Frage endlich geklärt bekommen. Jetzt muss ich mit Überraschung feststellen, dass nach der Bundesratsinitiative – die übrigens maßgeblich unsere Landesregierung initiiert hat,

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

wo es nämlich genau darum ging, auch vergessene Opfergruppen und Gerechtigkeitslücken zu schließen – dafür bin ich nach wie vor sehr, sehr dankbar – dass es einen Gesetzesprozess im Bundestag gab, wo im Übrigen die Frage der Zwangsausgesiedelten dann mal eben schnell wieder rausgenommen wurde. Der Entschließungsantrag dazu, um genau die Problematik der Zwangsausgesiedelten zum Beispiel wieder reinzunehmen, wurde – oh Wunder und welche Überraschung! – im Bundestag im Oktober 2019 abgelehnt. Das ist genau der Widerspruch, der sich für mich ergibt, wo ich auch immer wieder sage, wenn – und ich will Ihnen das auch gerne glauben, wenn wir hier in diesem Rund die gemeinsame Verantwortung übernehmen wollen und auch dafür sorgen wollen, dass auch Einzelschicksale und vergessene Opfergruppen Beachtung finden, dann verstehe ich nicht, warum es in der Konsequenz für die CDU nicht möglich ist, im Bundestag tatsächlich dafür zu sorgen. Herzlichen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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