Bericht der Landesregierung zu ihren Aktivitäten auf dem Gebiet der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen für den Zeitraum März 2018 bis Februar 2019

Katja Mitteldorf

Zum Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/7089

 

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. Kollege Wirkner hat das gerade schon gesagt, wir befinden uns am Ende einer Legislatur und da lohnt es sich natürlich auch, sich nicht nur den Bericht anzugucken, den wir heute verhandeln, sondern natürlich auch ausgehend davon, dass wir tatsächlich mal gemeinsam und überfraktionell damit gestartet sind, die Berichte zur Aktivität der Landesregierung im Feld der Aufarbeitung auch hier im Rund, im Plenum verhandeln. Das war – muss ich aus ganz persönlicher Erinnerung auch sagen – für mich ein sehr positiver Beginn der Zusammenarbeit zu diesem Thema. Ich musste aber – das muss ich auch immer wieder sagen – feststellen, dass zumindest in den letzten zweieinhalb Jahren, wenn ich das in ungefährer Erinnerung habe, sich dann doch durchaus Tendenzen breitgemacht haben, dass es nicht immer Wunsch und Wille der CDU-Fraktion war, mit uns gemeinsam zu arbeiten. Das finde ich sehr schade, zumal wir sehr oft kaum unterschiedliche Positionen zu den einzelnen Themengebieten, die Aufarbeitung betreffend, hatten und es dennoch leider nicht mehr in der Form, wie ich es mir auch gewünscht hätte, gelungen ist, gemeinsam zu agieren.

 

Nichtsdestotrotz hat Herr Wirkner zu Recht ausgeführt, dass diese Landesregierung eine Vielzahl von Aktivitäten unternommen hat auch mit Unterstützung des Parlaments im Feld der Aufarbeitung und dabei ganz unterschiedliche Themenbereiche bearbeitet hat, zu Lösungen für bestimmte Opfergruppen kommen konnte und es nach wie vor Opfergruppen gibt, für die es keine Lösung gibt und keine in Sicht scheint. Auch auf die ist Herr Wirkner eingegangen und ich wiederhole das sehr gern, weil ich an dieser Stelle immer über genau diese Opfergruppe rede. Wir reden über die Zwangsausgesiedelten in der DDR.

 

Jetzt hat die CDU-Fraktion in ihrem Antrag, der ja im Kern ein sehr umfangreiches Berichtsersuchen darstellt, wo sozusagen in dem Berichtsersuchen, wenn man schaut, kleine versteckte politische Forderungen drin sind, allerdings habe ich mich auch gefragt, warum hier nicht weitere Forderungen aufgemacht werden, aber sei es drum. Unter einem Punkt, da geht es um den Härtefallfonds, der schon besprochen worden ist und da stellt die CDU in ihrem Antrag den Zusammenhang mit der Entschädigung für Zwangsausgesiedelte her. Das ist nicht das erste Mal, dass wir das in diesem Zusammenhang von der CDU-Fraktion hören und ich werde nicht müde, an diesem Rednerpult darauf hinzuweisen: ein Härtefallfonds natürlich völlig d´accord, alles gut. Aber wenn wir über die Zwangsausgesiedelten reden, haben wir ein anderes Problem nach wie vor nicht gelöst, was auf Bundesebene liegt. Ich kann nur mein Bitten und Werben in Richtung CDU-Fraktion erneuern, sich aktiv dafür einzusetzen, weil Frau Tröbs als Präsidentin des Bundes der Zwangsausgesiedelten und auch wir als Parlamentarier, die sich mit ihr regelmäßig treffen und mit ihr versuchen, Dinge zu regeln, nicht weiterkommen und sogar ferner noch sehr oft an Menschen aus dem Bundestag scheitern, die zwar sich die Geschichte von Frau Tröbs und anderen anhören und auch – wer sie kennt, weiß das – in sehr ausführlichen Berichten noch mal die Rechtslage dargelegt bekommen, die Problemlagen, die Frage der Nullbescheide und die zentrale Frage des Opferentschädigungsfonds, der auf Bundesebene sozusagen irgendwo abgeblieben ist, wo das Geld der Zwangsausgesiedelten, was sie nach der Wende zwei zu eins dann dort eingezahlt haben, mit dem Versprechen, dass sie daraus entschädigt werden und nach wie vor kein Mensch sagen kann, was mit diesem Geld geworden ist. Ich kann das nur wiederholen: Liebe CDU-Fraktion, bitte nutzen Sie Ihre Kontakte, um diese Frage endlich zu beantworten, denn ich komme auch nicht weiter.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Frau Tröbs kommt nicht weiter und wer Frau Tröbs kennt, weiß, dass Frau Tröbs wirklich jeden einzelnen Menschen in diesem Bundestag schon mal angeschrieben hat, zu Veranstaltungen fährt, weil sie weiß, dass Verantwortliche aus der Bundesebene, Regierungsverantwortliche, Parlamentarier in gehobener Stellung kommen und jedem Einzelnen immer wieder ihr persönliches Schicksal und demzufolge auch das Schicksal natürlich vieler anderer Zwangsausgesiedelter erzählen muss. Und was das für eine psychische Belastung ist, immer wieder dieses Trauma zu durchleben, weil man es immer wieder den Menschen erzählen muss und weil es eine komplexe Materie ist und sie und alle anderen Zwangsausgesiedelten bis heute nicht die Antwort auf die eine entscheidende Frage haben, nämlich: Was ist mit dem Geld passiert? Was ist mit dem Entschädigungsfonds, aus dem das Versprechen kam, dass sie auf Bundesebene entschädigt werden? Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich bitte die CDU-Fraktion, ihre Kontakte in die Bundesregierung dahin gehend zu nutzen, diese Frage endlich zu beantworten. Denn das ist eine zentrale Frage, die sich einfach nicht klären lässt. Durch Ungerechtigkeiten und Ungesetzlichkeiten hat sie sich im Übrigen nach der Wende für die Zwangsausgesiedelten doppelt ereignet. Dass sich Bodo Ramelow und diese Landesregierung gerade auch für die Zwangsausgesiedelten sehr eingesetzt haben und in engem Kontakt mit Frau Tröbs stehen, zu der rechtlichen Bewertung und der Frage der sogenannten Nullbescheide in ständigen Verhandlungen sind, dass die Fragen der Zwangsausgesiedelten in der Entschließung des Bundesrats eine exorbitante Stellung eingenommen haben, dafür danke ich dieser Landesregierung außerordentlich. Aber die Frage nach diesem besagten Opferentschädigungsfonds ist einfach ungelöst und es scheint, als würde nicht mal die Bundesregierung mehr wissen, dass der irgendwo existiert.

 

Ich würde wirklich darum bitten, dass wir gerade in diesem Zusammenhang den Geist, den dieses Parlament geatmet hat, als wir in dieser Legislatur angefangen haben, zu der Frage, wie gehen wir mit ganz persönlichen Schicksalen und ungelösten Rechtsfragen um und wie wollen wir als Thüringer Landtag gemeinsam Richtung Bund auch ein Signal setzen – ich kann nur immer wieder sagen, den Geist würde ich gern wieder beschwören

 

(Beifall DIE LINKE)

 

und gemeinsam dafür sorgen, dass wir diese Frage und andere klären. Die Frage nach dem Opferentschädigungsfonds kann – glaube ich – nach all den Jahren, die ich das jetzt versucht habe, vielleicht die CDU-Fraktion schneller klären, als mir oder Frau Tröbs das möglich ist.

 

Dann, Herr Wirkner, haben Sie auch gesagt: Aufarbeitung sollte weitergehen in der nächsten Legislatur. Da sage ich: Ja. Aufarbeitung ist im Übrigen nichts, wo man eine Checkliste hat und am Ende sagt, jetzt mache ich einen Haken dran und jetzt bin ich fertig. Denn das ist ein Prozess. Es ist ein Prozess, wo es auch darauf ankommt, dass sich Menschen begegnen, die sich sonst nicht begegnen würden, und wo natürlich auch immer wieder die Frage ist: Welche Rückschlüsse ziehen wir aus den Erfahrungen für die nachfolgenden Generationen? Wie viel Wert legen wir auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, auf Meinungsfreiheit und wie sehr verteidigen wir unsere Verfassung auch gegenüber den Menschen, die sie aushöhlen wollen? Das sind alles Dinge, die für mich in dem Zusammenhang stehen. Deshalb kann es natürlich auch kein verordnetes wir-machen-jetzt-mal-hier-Schluss-und-sind-fertig-und-schließen-die-Türen-zu geben, das ist völlig logisch. Wer auch immer im Herbst weiter regiert – in meiner Hoffnung und Wahrnehmung wird es natürlich Rot-Rot-Grün sein –, und sollte es weiterhin eine IMAG geben, würde ich noch mal den Wunsch äußern, dass vielleicht ein anderes Format dahin gehend gewählt wird, dass auch die Fraktionen des Thüringer Landtags eingebunden sein können.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Das ist ein ganz entscheidender Wunsch, den wir hier an dieser Stelle schon mehrfach geäußert haben, weil es – glaube ich – für den Wissenstransfer, für die Kommunikation und für die Geschlossenheit, was die Bearbeitung dieses Themas betrifft, gut wäre und auch ein gutes Signal nach außen wäre. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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