Gesetz zur Überprüfung der Abgeordneten des Thüringer Landtags auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit oder dem Amt für Nationale Sicherheit

Katja Mitteldorf

Zum Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/936

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, sehr geehrter Herr Dr. Wurschi, bevor ich ins eigentliche Thema einsteige, sei in Richtung Frau Herold und AfD-Fraktion nur Eines gesagt: Vielleicht sollten Sie sich mal Ihre Bundestagsfraktion und die Leute, die für sie kandidieren, genauer ansehen.

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Sie können hier erzählen, Menschen mit Stasivergangenheit gehören nicht in ein Parlament und schon gar nicht in den Bundestag. Dann schauen Sie bitte mal in Ihre Fraktion im Bundestag.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Und dann dürfen Sie auch so tun, als wären Sie völlig reingewaschen.

 

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Heuchler!)

 

Und das andere – und das ist immer wieder lustig, dass gerade die AfD-Fraktion diese Mär der verschwundenen SED-Millionen anbringt. Nur mal so als ein Beispiel: Fragen Sie sich mal, woher eigentlich ursprünglich unter anderem das Stammkapital der Thüringer Kulturstiftung kommt, überlegen Sie sich mal, wo auch andere Stiftungen in Thüringen natürlich im Stammkapital zu Recht von diesem Geld profitiert haben. Überlegen Sie sich auch mal – wir diskutieren hier öfter über PMO-Mittel, die sind nicht bei uns auf dem Konto, um es nur mal zusammenzufassen. Und dann empfehle ich Ihnen auch da: Es gibt mehrere Bundestagsdrucksachen, ich kann Ihnen das im Nachgang gern als Serviceleistung noch raussuchen,

 

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Nein! Kein Service!)

 

wo genau beschrieben ist, was mit diesem Geld passiert ist. Das wäre für Sie vielleicht auch mal ein Bildungsaspekt.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Ja, Frau Herold, zur Opferentschädigung komme ich im Übrigen auch gleich noch.

Es ist immer ein bisschen schade, wenn wir hier in diesem Rund zu dem Thema, zu dem wir eigentlich sprechen – was die Überprüfung der Abgeordneten betrifft – dann eine Fraktion haben, die aus der Reihe tanzen und sich Bahn brechen muss für ihren grundsätzlichen Hass gegenüber Menschen und das hier auskippt und sich immer noch ein Schild vorhält, dass sie das im Namen der Opfer tun würde. Das – „sehr verehrte“ hätte ich beinahe gesagt – AfD-Fraktion, ist einfach nur schändlich und da sollten Sie sich mal selbst an die Nase fassen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Dass es eine Einigkeit darüber gibt, dass wir die Überprüfung der Abgeordneten fortsetzen, ist, glaube ich, erst mal grundsätzlich zu begrüßen. Und das muss ich auch mal in Richtung des Abgeordneten Montag von der FDP sagen, ich fand das fast ein bisschen befremdlich: Sie haben im Vorfeld verlautbaren lassen, wir mögen endlich mit dem Streit um die Frage der Abgeordnetenüberprüfung aufhören. Verzeihen Sie mir das saloppe Wort, da habe ich wirklich gedacht: Warum machen wir jetzt einen Firlefanz, wenn völlig klar ist, dass es eine grundsätzliche Einigkeit darüber gibt, diese Abgeordnetenüberprüfung im Sinne unserer Verantwortung und im Sinne der Aufarbeitung natürlich fortzuführen, und dass es aber – das ist in den Reden heute mehrfach angeklungen – durchaus unterschiedliche Ansichten gibt, was einzelne Detailfragen betrifft. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Solange – und das ist heute auch schon angeklungen – SED- und DDR-Opfergruppen, wenn sie Entschädigungen beantragen, sich noch immer – mal salopp gesagt – völlig nackt machen müssen und einen zum Teil natürlich auch aufgrund der emotionalen Belastung wirklich schwierigen Weg gehen müssen, um überhaupt als solche rehabilitiert zu werden bzw. auch Entschädigungsleistungen zu erhalten, und solange es nach wie vor Opfergruppen gibt, für die es keine abschließende Lösung und keine abschließende Hilfe gibt – und da nenne ich wie immer an dieser Stelle das Beispiel der Zwangsausgesiedelten –, solange dies der Fall ist, finde ich, ist es das Mindeste, in allen Parlamenten zu sagen, wir nehmen diese Verantwortung auch insofern wahr, dass wir die Transparenz herstellen, welche Abgeordneten in diesem Landtag und in anderen Landtagen eine offizielle und/oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS hatten. Was aus meiner Sicht aber eben – und auch das ist angeklungen – absolut unverständlich ist, ist nach wie vor die Debatte um – jetzt nennen wir es im Zweifel im CDU-Gesetzentwurf nicht mehr „parlamentsunwürdig“ – die Formulierung, die im Gesetzentwurf drinsteht; „das Ansehen des Landtags belastet“ ist ja nur eine euphemistische Umschreibung des Worts „parlamentsunwürdig“. Ich finde, das ist eine Überhöhung von uns selbst, wenn ich das mal so sagen darf. Denn wer sind wir als moralische Instanz innerhalb eines Gremiums, was zu Recht natürlich auch zunächst im Geheimen tagt, das hat die Kollegin Rothe-Beinlich ausgeführt, aber wieso fällen wir ein moralisches Urteil? Ich bin völlig dabei zu sagen, die einzige Personengruppe, die ein moralisches Urteil bezogen auf die Tatsache, ob Abgeordnete mit einer solchen Vergangenheit oder auch nach wie vor nur dem Verdacht dieser Vergangenheit diesem Landtag angehören dürfen oder nicht, entscheidet, sind einzig und allein die Menschen in Thüringen, die zur Wahl gehen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Alles andere ist eine absolute – wie ich finde – moralische Überhöhung von uns selbst, denn wir sind alle nur Menschen und ich halte es für tatsächlich nicht gegeben, auch wenn das in den vergangenen Jahren natürlich immer wieder auch gern im politischen Miteinander benutzt worden ist, mit dem Finger und sozusagen der immer währenden Parlamentsunwürdigkeitskeule, auch Kolleginnen und Kollegen zu diffamieren – übrigens selbst auch jene, die, auch bevor sie in den Landtag eingezogen sind, mit ihrer Biographie offen umgegangen sind. Auch jetzt in dieser Debatte hat es zumindest den Anklang, als würden wir immer davon reden, dass sozusagen bei der Überprüfung der Abgeordneten grundsätzlich innerhalb dieses Landtags Leute enttarnt worden sind und dass vorher die Biographie überhaupt nicht bekannt war. Das ist natürlich nachweislich Quatsch. Deswegen frage ich mich, wenn also Abgeordnete schon seit nach der friedlichen Revolution mit sich und ihrer Biografie offen umgehen, ist dann immer die Frage – aber auch das, sage ich, obliegt nicht uns als Institution Landtag, sondern wenn dann überhaupt nur jedem selbst, wie er das einschätzt, ob man kritisch, nicht kritisch, flapsig, wie auch immer damit umgeht. Aber dann, nachdem klar war, was die Vergangenheit dieser Abgeordneten betrifft, so zu tun, als braucht es, obwohl sie gewählt worden sind – also vom Wähler und von der Wählerin das Vertrauen hatten, in diesem Landtag zu arbeiten –, dann sozusagen von uns als Kolleginnen und Kollegen die moralische Instanz, das ist eine Geschichte, mit der ich ehrlicherweise hadere. Ich bin eher dafür – und das ist ja auch Teil unseres Gesetzentwurfs – zu sagen, natürlich braucht es die Transparenz und die kann es auch noch mal verstärkt geben durch das Gremium hier im Landtag, aber es braucht sie vor allem auch in der Möglichkeit, hier in diesem Rund darüber zu sprechen. Und das ist in der Vergangenheit auch rege getan worden und deswegen verstehe ich es auch wirklich nicht, warum die CDU-Fraktion das eher so ein bisschen leise ausklingen lassen möchte. Denn ich finde, es gehört eben dazu, dann hier auch die Verantwortung übernehmen zu können, wenn das die betroffenen Abgeordneten möchten, und sich hier in diesem Rund und in der Öffentlichkeit, die dieses Parlament bietet, zu erklären und darüber auszutauschen.

 

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Deswegen: Ich finde, wir haben keinen Streit im Sinne von „Wer hat den besseren Gesetzentwurf?“, weil, darum geht es nicht, sondern – und das ist auch schon gesagt worden – wenn wir die beiden Gesetzentwürfe, die vorliegen, in den Ausschüssen EKM und MJV besprechen – ich kann ja gleich mal ankündigen, federführend wäre sicherlich gut, das im AfEKM zu machen –, wo wir auch die besagte und schon angedeutete Anhörung durchführen können und wo wir gemeinsame Anzuhörende festlegen, um dann quasi intensiv darüber zu debattieren. Trotzdem sage ich: Es wäre gut und hilfreich, wenn wir – und es liegt eine Sommerpause vor uns, das wissen wir auch, und wir wissen alle, wie lange Anhörungsfristen und Auswertungen dauern und dann sozusagen die Rückkehr ins Parlament. Schon nur noch mal der Hinweis, dass uns – glaube ich – allen klar sein muss, dass wenn wir – was ich ja sehr hoffe – das natürlich nach der Sommerpause dann hier auch gemeinsam und geeint beschließen, dass natürlich für diese Legislaturperiode es schon rein faktisch – weil zeitlich – überhaupt nicht mehr möglich sein wird, wenn es dabei bleibt, dass wir im April 2021 wählen. Alle Kolleginnen und Kollegen, die auch schon länger hier im Parlament sind, wissen natürlich, dass sowohl die Überprüfung selbst als auch dann die Frage des Gremiums und die Anhörung von eventuell betroffenen Abgeordneten usw. ihre Zeit brauchen. Deswegen ist es auch richtig, dass wir grundsätzlich ja einen längeren Zeitraum gewählt haben, als die vermutliche Legislaturperiode, die wir jetzt haben.

 

Die Kollegin Rothe-Beinlich und auch der Kollege Dr. Hartung haben es ja angedeutet: Wir haben jetzt in den beiden Gesetzentwürfen unterschiedliche Zeitspannen. Ich glaube, das wird auch Teil der Debatte im Ausschuss sein, auf welche Zeitspanne man sich im Zweifelsfall einigt und wir hier zusammen zu einer Einigung kommen. Ich glaube, das ist auch ein wichtiges Signal, dass hier der Konsens besteht, dass wir die Abgeordnetenüberprüfung fortführen. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen im Ausschuss und hoffe bei aller Fristwahrung und natürlich wichtigen Anhörungen und Auswertung von allen Anhörungen, dass wir hier auch schnell zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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