Unsere Geschichte verpflichtet: 30 Jahre friedliche Revolution in Thüringen

Katja Mitteldorf

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/7778

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen auf der Tribüne und am Livestream! Wie ich hier schon mehrfach an diesem Pult in den letzten fünf Jahren gesagt habe, bin ich 1985 geboren. Natürlich wäre ohne die friedliche Revolution mein Leben nicht so verlaufen, wie es verlaufen ist. Natürlich wäre es mir ohne die friedliche Revolution nicht möglich gewesen, in den USA ein zweites Zuhause zu finden. Natürlich – und das sage ich auch – gibt es auch in meiner Familie unterschiedliche Wahrnehmungen dazu, nicht, was die friedliche Revolution bedeutet, sondern was danach in der ehemaligen DDR passiert ist. Ich habe hier auch immer wieder betont – und das haben wir, glaube ich, auch als Koalition die letzten fünf Jahre zusammen mit der Landesregierung sehr deutlich gemacht –, dass wir das Thema „Aufarbeitung“ als ein wichtiges Thema ansehen. Wir wissen – und das ist auch erstmals passiert –, dass uns die Berichte der Landesregierung zum Thema „Aufarbeitung“ jährlich vorliegen, dass wir darüber im Plenum diskutieren. Ich habe hier auch immer wieder betont, dass die Werte, für die damals gestritten und um die gerungen wurde, Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Werte sind, die ich ganz persönlich, aber sehr wohl natürlich auch meine Fraktion und die Koalitionspartner und – ich gehe natürlich auch davon aus – die CDU-Fraktion hochhalten und das auch weiterhin hochhalten müssen, denn es ist so, wie der Kollege Wirkner fast zuletzt noch gesagt hat, dass es für die nachkommenden Generationen ist. Und ich gehöre ja quasi schon zu der nachkommenden Generation, die es nicht selbst erlebt hat und die auch die Umbrucherfahrung nur durch zweite Hand erlebt hat.

 

Ich habe auch immer wieder betont, meine Generation halte ich für eine entleerte Generation, weil wir groß geworden sind und unsere Eltern- und Großelterngeneration eine Umbruchserfahrung erlebt haben. Allerdings – und das wissen wir auch – blieb es nicht bei dieser einen Umbruchserfahrung, wenn wir uns die letzten 30 Jahre angucken. Für mich war ein wirklich – ich will fast sagen – schockierendes Beispiel dafür, was in den letzten 30 Jahren eben auch nicht passiert ist, als wir vom Tod Sigmund Jähns erfahren haben und die Presse eigentlich voll war mit: Sigmund Jähn wurde nur als Apparatschik der SED-Diktatur erzählt. Ganz ehrlich, das ist selbst für mich als jemand, der eine fast Nachwendegeborene ist und natürlich weiß, was Sigmund Jähn auch als Held für meine Eltern, für meine Großeltern war, wirklich unerträglich. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Denn ich finde, auch das heißt, man muss und soll alle Seiten einer Persönlichkeit, auch dieser und besonders auch dieser Persönlichkeit, beleuchten.

 

Herr Wirkner hat eben hier noch mal deutlich gemacht, was die CDU-Fraktion in den letzten fünf Jahren zur Aufarbeitung und im Einsatz um die Opfergruppen geleistet hat.

 

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LINKE: Nichts!)

 

Ich muss immer wieder sagen, es ist schon überraschend, nach fünf Jahren realem Erleben, wo wir als Koalition zum Teil sehr lange und sehr heftig mit der CDU darum gerungen haben, dass wir zu gemeinsamen Anträgen kommen und dass die CDU nicht immer wieder kurz vorher ausschert und sagt, sie müsse doch den eigenen Punkt setzen. Denn es ist diese Landesregierung gewesen, die mit einer Bundesratsinitiative dafür Sorge trägt, dass auf Bundesebene nun nicht mehr drum herumgekommen werden kann, dass es für einzelne Opfergruppen – und dazu gehören die Zwangsausgesiedelten immer wieder als Thema – endlich Rechtssicherheit auf Bundesebene geben muss. Und was erleben wir jetzt? Wir erleben jetzt, dass bei der Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze gerade die CDU-Fraktion im Bundestag immer wieder sagt, also die Bundesratsinitiative, das ist zwar ganz nett, aber das machen wir mal irgendwann. Ich finde, man muss nach 30 Jahren friedlicher Revolution sagen, die Verantwortung, die wir alle haben, und die Verantwortung, die ich mir übrigens auch selber anhafte, zu der Frage, wie gehe ich mit Menschen um, wie nehme ich die Schicksale von Menschen ernst und wie nehme ich vor allem aber auch die Biografie aller Menschen ernst, gehört eben auch, dass man redlich bleibt und sich demzufolge auch wirklich dafür einsetzt und hier im Landtag nicht nur redet. Herzlichen Dank!

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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